Pizza Bianca

Die Pizza Bianca blickt auf eine lange Geschichte zurück. Anders als heute gab es vor über 100 Jahren natürlich nicht 50 verschiedene „trendy“ Pizzen auf der Speisekarte, sondern lediglich zwei. Eine rote Pizza und eine weiße Pizza. Dabei muss man auch bedenken, dass die Tomate als essbares Gemüse erst spät nach Italien kam und ihr Siegeszug auch einige Zeit brauchte.

Nach dem ersten Auftauchen der Tomate in Italien 1548/1555 schmückten die Tomatenpflanzen die italienischen Gärten zunächst überwiegend als Zierpflanzen, da sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit anderen Nachtschattengewächsen als giftig angesehen wurden.  Doch bereits die Medici waren an der Verwendung der Tomate für den Verzehr interessiert. Obwohl Mattioli schon 1544 ein Rezept für den Verzehr von Tomaten angab, wird in der Literatur daran gezweifelt, dass sie wirklich des Öfteren als Speisepflanze verwendet wurde.

In Italien wurde die Tomate ab dem 17. Jahrhundert immer bedeutender. Antonio Latini war ab 1658 als Koch beim spanischen Vizekönig von Neapel tätig. In dem von ihm verfassten Kochbuch fanden sich erstmals auch Rezepte mit neuweltlichen Zutaten. Die drei Gerichte, in denen die Tomate vorkam, wurden als „alla spagnola“ bezeichnet. Um 1700 begann man, die Tomate als eine Zutat für Speisen schätzen zu lernen; erneut galt Italien als Vorreiter.

Eine Pizza, die heutigen Vorstellungen entspricht, soll erstmals am 11. Juni 1889 in Neapel vom Pizzaiolo Raffaele Esposito von der Pizzeria Brandi hergestellt worden sein, der beauftragt worden sein soll, König Umberto I. und seiner Frau Margherita eine Pizza zu servieren. Diese soll er patriotisch mit Zutaten in den italienischen Nationalfarben belegt haben: Basilikum (grün), Mozzarella (weiß) und Tomaten (rot). Diese ist bis heute unter dem Namen „Pizza Margherita“ eine der bekanntesten und verbreitetsten, wenn nicht die verbreitetste Pizzavariante.

Erst nach 1945 wurde die Pizza in Gesamt-Italien populär und erst dann wurde aus einem neapolitanischen Lokalgericht ein italienisches Nationalgericht. Damit trat die Pizza in Italien allmählich aus dem Schatten ihres alten subproletarischen Millieus heraus und wurde gesellschaftsfähig.

Hilfreich war dabei auch das Buch „L’oro die Napoli (Das Gold von Neapel, 1954) von Giuseppe Marotta, das 1955 verfilmt und mit Sophia Loren in der Hauptrolle in Cannes uraufgeführt wurde. Sophia Loren in der Rolle einer Pizzaiola die ihren Pizza-Verkaufsstand „Da Sofia“ führte, wurde zur Legende und die Pizza durch sie weltberühmt.

Sophia Loren und Giacomo Furia in L’oro di Napoli (Das Gold von Neapel)

Der Name Pizza ist vermutlich älter – die apulische Pizza pugliese oder die kalabrische Pitta inchiusa zum Beispiel enthalten neben Hefeteig nur seit alters her bekannten Zutaten wie Olivenöl, Zwiebeln, Salz oder Schweineschmalz. Der ligurischen Focaccia ähnliche Fladenbrote sind seit der Antike verbreitet.

Zwei Arten klassische der Pizza haben sich aus diesen verschiedenen Traditionen entwickelt:
Pizza Marinara mit Tomatensoße und Oregano. Sie ist angeblich die älteste Pizza mit Tomatenbelag.
Pizza Bianca mit Rosmarin, Öl und Knoblauch

Zwischen Nord- und Süditalien herrschte schon immer ein gewisser kulinarischer Unterschied. Der Süden ist für seine einfache Küche bekannt. Wohingegen der Norden mit Wohlstand und edlen Zutaten besticht.

Während man in der Toskana unter Pizza Bianca tatsächlich eine weiße Pizza versteht, wird sie in und um Rom mit „blanke Pizza“ übersetzt. Der Unterschied: In der Toskana isst man sie mit einer weißen Soße und Trüffelcreme, in Rom ganz pur und nur mit Öl und Knoblauch verfeinert, wie bereits im „alten Rom“, als belegte Focaccia. Damit erinnert die Pizza Bianca in Rom mehr an eine Art Pizzabrot.

Eigentlich ist somit auch der im Elsass sowie den benachbarten Regionen Lothringen, Saarland, Pfalz und Baden beliebte Flammkuchen eine Pizza Bianca. Grundlage des Flammkuchens ist ein sehr dünn ausgerollter Boden aus Brotteig. Der traditionelle Belag besteht aus rohen Zwiebeln, Speck und einer Creme aus Sauerrahm, die nur leicht mit Salz und Pfeffer gewürzt ist. Der so belegte Fladen wird bei starker Hitze für kurze Zeit im Ofen gebacken.

Eine verbreitete Variante des klassischen Belags ist die süße Version mit Äpfeln oder Birnen und Zimt. Ähnliche Kuchen aus dünn ausgerolltem Mischbrotteig kennt man auch in anderen Regionen. Im Osten Württembergs sind Flammkuchen als Hitzkuchen bekannt und werden mit Kartoffelpüree, Grieben und Zwiebelringen belegt. In Hohenlohe und Franken werden die Kuchen als Blootz oder Blaatz bezeichnet. So nennt man dort teilweise süße Blechkuchen (beispielsweise Zwetschgenblootz). In Teilen von Hessen werden ähnliche Kuchen Ploatz oder auch Bloads genannt. In Oberschwaben heißen herzhaft belegte dünne Fladen Dinnete. Auf den Fildern sind sie kleiner und länglicher und werden Deie genannt.

Pizza Bianca
Jegliche Pizza-Variation, die ohne Tomatensoße zubereitet wird, nennt man Pizza Bianca. Für die klassische Pizza Bianca, wird der Teigfladen mit Parmesan bestreut. Ricotta darauf gestrichen. Käse (Mozzarella) in Stücke gezupft und darauf verteilen und ab in den Ofen. Nach dem Herausnehmen, etwas Olivenöl darüber tröpfeln und Basilikum darauf verteilen.

Gerade die Pizza Bianca ai quattro formaggi ist durch ihre „weiße“ Basis die optimale Variante gegenüber der Tomatenversion. Bei der weißen Variante kommen die Käsesorten geschmacklich besser zur Geltung.

Pizza Bianca mit Taleggio, Mozzarella und schwarzem Trüffel
Die Crème fraiche mit Salz und Pfeffer würzen. Mozzarella abtropfen lassen, in dünne Scheiben schneiden. Taleggio ebenfalls in dünne Scheiben schneiden.

Den Teigboden dünn mit Crème fraiche bestreichen. Mozzarellascheiben und Taleggio-Streifen gleichmäßig darauf verteilen.

Pizza in den Ofen geben und ca. 15 Minuten backen, bis der Teig schön knusprig und der Taleggio verlaufen und leicht gebräunt ist.

Pizza herausnehmen und die Trüffel mit einem Trüffelhobel in dünne Scheiben hobeln, über die Pizza geben und ca. 1 Minute weiter backen. Dann die Pizza aus dem Backofen nehmen und sofort servieren.


Pinsa oder Pizza?

Die „Pinsa“ ist gerade der Verkaufsschlager, ein voller Erfolg einer geschickten Marketingkampagne.

Die Pinsa geht auf eine Idee des italienischen Unternehmers Corrado Di Marco zurück, der 2001 den Markennamen „Pinsa romana“ registrieren ließ. Bereits 1981 hat das von Di Marco geführte Unternehmen mit Sitz in Guidonia Montecelio nordöstlich von Rom den Teig, der später als Pinsa bezeichnet wurde, erstmals als Pizzateig für Pizza vom Blech nach römischer Art in seine Produktpalette aufgenommen. Als Marketingstrategie wurde, wie Di Marco später zugab, ein nicht vorhandener historischer Bezug der Pinsa zum „Alten Rom“ in Umlauf gebracht, um das Produkt besser zu verkaufen.

Dabei wurde mit dem Namen Pinsa eine Verbindung auf das Lateinische „pinsere“ (deutsch zerdrücken oder zerquetschen) hergestellt. Zudem war bei der Namensentwicklung eine Ähnlichkeit mit den Begriffen Pizza und Pita erwünscht. Mit dem Erfolg des Produktes wurde auch die erfundene römische Vergangenheit der Pinsa ungeprüft von den Medien übernommen und verbreitet. Es lebe das Marketing und die Ignoranz der Massen!

Der Begriff „Pinsa“ wird in Venedig und dem Friaul verwendet, wenn Brote aus mehreren verschiedenen Mehlsorten gebacken werden. Bis zum Ende der Serenissima (1797) war es in Venedig den Bäckern verboten unterschiedliche Getreide- und Mehlsorten zu mischen. Lediglich für das Backen von Brauchtumgsgebäcke und Brote zu hohen kirchlichen Feiertagen war es erlaubt Mehle und Getreide zu mischen. Eines dieser Brauchtumsgebäcke war die „Pinsa veneziana, die auch als „Pinsa epifania“ bekannt war. Diese „Pinsa veneziana“ hat jedoch mit der „modernen“ Pinsa nichts gemein, denn sie ist ein Süßgebäck und enthält neben Semmelbrösel, Weizen- und Maismehl, viel Zucker, Pinienkerne Sultaninen Zitronat getrocknete Feigen und andere Früchte,s owie Anis und/oder Fenchelsamen.

Im Jahr 2019 trat der italienische Pizzabäcker Massimiliano Grande aus Krefeld in Venedig in der Endrunde des „Pizze Stellate“, des wichtigsten Pizzabäcker-Wettbewerbe Europas mit 20 anderen Bewerbern an, die sich in den ersten beiden Runden gegen rund 480 Konkurrenten aus aller Welt durchgesetzt hatten.

Auch er schwört auf die richtige Mischung aus verschiedenen Mehlsorten, die garantieren, dass der Teig perfekt aufgeht. Nach der venezianischen Definition ist diese Pizza dann auch eine „Pinsa“, da alles Gebäck, dass aus verschiedene Mehlsorten gemischt wurde, Pinsa genant werden kann. Zehn Stunden ruht der Teig dann bei Zimmertemperatur und dann 14 Stunden im Kühlschrank. Drei Stunden vor dem Backen, kommt der Teig aus dem Kühlschrank, denn er darf niemals kühlschrankkalt verarbeitet werden.

Nach vielen Versuchen hat sich bei mir eine Mischung aus je einem Drittel Dinkelmehl 630, Dinkeldunst und Dinkelgrieß, sowie einer kleinen Zugabe von selbstgemachten Dinkelsemmelbrösel bewährt. Dazu kommt etwas Olivenöl und wenig Hefe, sowie 60 ml Wasser je 100 g Mehl.

Das Ganze wird kurz vermengt und geknetet und ruht dann einige Stunden bei Zimmertemperatur und gelegentlichen „Dehnen und Falten“ des Teiges. Danach kommt der Teig für ca. 24 – 36 Stunden bei 7 °C in den Kühlschrank. 3 Stunden vor dem Verarbeiten wird der Teig wieder aus dem Kühlschrank genommen, die Pizzakugeln werden geformt und die Stückgare beginnt.

Ich empfehle jedem der eine ordentliche Pizza backen will die Anschaffung eines Backstahls. Backsteine aus Schamotte haben sich nicht bewährt, der Grund dafür ist reine Physik.

Backstahl
Ein Backstahl hat eine Dicke von ca. 6 mm und ist damit viel dicker als ein normales Backblech (es gibt auch Backstähle mit 8 mm Dicke, die sind dann aber auch sehr schwer!). Im Gegenteil zum Backstein heizt sich Stahl viel schneller auf als der Stein. Man spart also nicht nur Energie, sondern auch Zeit.

Der Backstahl kann sehr viel besser Hitze speichern und hat eine bessere Wärmeleitfähigkeit als der Backstein und gibt die Hitze direkt und dauerhaft ab der ersten Backminute an den Teig weiter. Die Temperatur im Inneren des Teiglings steigt daher sehr viel schneller an und der Ofentrieb setzt ein, bevor die äußere Verkrustung durch die Umgebungstemperatur einsetzt.

Weil die Bodentemperatur höher ist, bekommt die Pizza einen krosseren Boden, was sich positiv auf den Geschmack auswirkt und die Backzeit reduziert sich ebenfalls.

Ein weiterer Vorteil: Ein Backstahl lässt sich sehr viel einfacher reinigen als ein Backstein.

Einen Backstahl kann man auf Maß online bestellen.

Man sollte Pizza mit möglichst hoher Temperatur backen. Profis haben einen Ofen, der bis auf 470 °C aufheizt. Wer also nicht gerade einen wohnzimmerschrankgroßen Steinofen sein Eigen nennt, sollte folgende Regeln beachten:

Eine Pizza braucht bei 250 °C Ober- und Unterhitze ca. 10 Minuten Backzeit.
Bei Umluft sollte die Temperatur mindestens 230 °C betragen.
Wer einen Ofen hat der 275 °C oder mehr erreicht, nur zu!
Die Strategie lautet immer: So viel Hitze wie möglich!
Der Backofen sollte gründlich vorgeheizt werden, bis die gewünschte Backtemperatur erreicht ist. Hitze ist das A und O!

Meiner Recherche verdanke ich auch eine wunderbare Pizzaauflage:

Frittierte Auberginenscheiben mit einer Käsecreme
Auberginen in ca. 1,5 cm dicke Scheiben schneiden, von beiden Seiten salzen und auf einen Teller legen. Einen anderen Teller auflegen und ein Gewicht (volle Rotweinflasche) darauf geben. Etwa 1 – 2 Stunden entwässern. Die Scheiben dann mit Küchenkrepp abtupfen. Reichlich Öl in eine Pfanne geben (kein Olivenöl!), damit die Auberginenscheiben später im Öl schwimmen und die Scheiben in das heiße Öl geben. Gelegentlich wenden und goldbraun ausbacken. Die Scheiben dann auf einem Küchenkrepp abtropfen und erkalten lassen.

Aus gutem Mozzarella und/oder, je nach Geschmack, Gorgonzola eine Creme bereiten. Den Pizzateig ausrollen, die Tomatensauce vorsichtig verteilen (nicht zu viel!) und belegen. Die Auberginenscheiben auflegen und auf jede Auberginenscheibe einen Kleks der Käsecreme geben. Die Pizza backen. Guten Appetit!


Traubenbrot mit Wacholder & Rosmarin

Bei unserem Letzen Besuch in den Marken war gerade die Zeit der Weinlese und des Kelterns beendet. Da gab es dann auch ein Brot, bei dem das Wasser durch Traubensaft ersetzt wurde. Die Hausherrin hat noch frische Trauben und frische Walnüsse hinzugetan.

Die Tradition Weintrauben – nicht Tafeltrauben richtige Weintrauben! – in Backwaren zu verarbeiten ist weit verbreitet. In der Toskana gibt es das wunderbare „Schiacciata all’uva“, die einst als Armeleute-Essen kreiert wurde, um Reste zu verwerten. Dieser „Kuchen“ ist weder richtig süß, noch richtig salzig.

Die Zutaten sind einfach nur Mehl, Hefe, Wasser, Olivenöl, ein bisschen Zucker, ein paar Kräuter und eine Handvoll dunkle Trauben, die nicht gut genug für die Weinherstellung, aber viel zu schade zum Wegwerfen sind. In der Toscana und den Marken sind es die kleinen und dunkelen und süßen Canaiola-Trauben oder Moscato-Trauben. Bei der Zubereitung darf man auf keinen Fall man die Kerne entfernen, denn die sind typisch für dieses Gericht.

Zuhause habe ich nach dieser Anregung ein Dinkel-Wacholderbrot gebacken. Sehr hochwertiger Wacholder wird in Italien in Frontignano – Sammerlano in den Marken angebaut. Diese besonders Qualität an Wacholderbeeren enthält um die 20% vergärbaren Zucker und wird u.a. für Herstellung des bekannten Plymouth Gin verwendet. Hierzu werden die Beeren an einem einzigen Tag vollständig abgeerntet und weiterverarbeitet.


Wacholderbrot

Kochstück-Ferment:
15 g Polentamehl
20 g Haferflocken
1/2 TL Flohsamenpulver
150-180 ml Wasser

Zutaten aufkochen und nach dem Abkühlen mit 2 EL Mehl und 3 TL Lievito madre und ggf. etwas Wasser vermengen. Für mindestens 3 Std. gehen lassen. Der Fermentteig muss dich verdoppeln.

Vorteig:
320g Dinkelmehl
Kochstück
1/2 TL aktives Backmalz
80 g Dinkelbrösel von altem Brot
150 ml Traubensaft

Das fermentierte Kochstück mit dem Mehl und dem aktiven Backmalzpulver vermengen. Vorsichtig den Traubensaft (etwa 150 ml oder nach Bedarf mehr oder weniger) hinzugeben, kurz durchkneten und 1 Std. ruhen lassen

Hauptteig:
15-20 g gemahlene Wacholderbeeren
10 g Meersalz
2 EL Rosmarinnadeln gehackt
1 TL Honig
2-4 g Frischhefe
4-5 EL Waldheidelbeeren bzw. Blaubeeren (TK aufgetaut) – Die Blaubeeren kann man auch durch zerdrückte Weintrauben ersetzen!

Mit den restlichen Zutaten vermengen (nicht zu viel Blaubeersaft!) und gut kneten.

4-5 h bei Raumtemperatur gehen lassen, dabei mehrmals dehnen und falten. Wenn sich der Teig nahezu verdoppelt hat, eine Teigkugel formen und im Gärkorb abgedeckt im Kühlschrank für 12-16 Std. Ruhen lassen.

Den Backofen mit dem geölten gusseisernen Topf rechtzeitig vor dem Einschießen auf 240 °C Ober-/ Unterhitze vorheizen.

Das Gärkörbchen aus dem Kühlschrank nehmen und abgedeckt ca. 1-1,5 Stunden bei Raumtemperatur ruhen lassen.

Den Teigling aus dem Gärkörbchen in den heißen Topf stürzen (Teigschluss jetzt unten), Oberseite bemehlen und einschneiden. Deckel drauf und sofort schwaden. Das Brot insgesamt 45-60 Minuten backen, dabei nach 20 Minuten den Dampf ablassen und die Temperatur auf 220 °C reduzieren.

Nach dem Backen das Brot auf einem Rost auskühlen lassen und dann servieren.


Anmerkung:
Die Blaubeere (Vaccinium myrtillus) ist eine Art aus der Gattung der Heidelbeeren (Vaccinium). Bei der Verwendung färbt sie, aufgrund des dunklen Fruchtfleisches, Zähne und Zunge blau. Man bekommt sie entweder frisch auf Märkten oder als TK-Ware in gut sortierten Supermärkten oder im Großhandel.

Die deutlich größeren, häufig im Supermarkt erhältlichen Kulturheidelbeeren stammen dagegen nicht von der in Europa heimischen Heidelbeere ab, sondern von der amerikanischen Heidelbeere (Vaccinium corymbosum) und anderen nordamerikanischen Arten. Sie erzeugt, da ihr Fruchtfleisch hell ist, keine Blaufärbung im Mund. Diese Art eignet sich nicht wirklich zum backen (ist wie der Unterschied zwischen Tafeltrauben und Weintrauben) und auch nicht zum kochen, z.B. für ein gutes Risotto. Die nordamerikanischen Kulturheidelbeeren sind geschmacklich zu fad und es fehlt ihnen an Farbe.



Bross – solo l’amore è più forte del bross

Quelle: „Die piemontesiche Küche“, ISBN 88-7320-056-7

Bross (auch Brös, Bross, Brus oder Bruss) ist kein richtiger Käse, sondern eine piemontesische und ligurische Käsezubereitung aus Käse und Grappa, die in früheren Jahrhunderten typisch für die bäuerliche Küche der Oberen Langhe und Westliguriens war. Es wird vermutet, dass sich der Name von der Landschaft Bresse in der historischen Dauphiné ableitet. Einer anderen Theorie nach leitet er sich von „bruciare“ ab, dem kräftigen Gefühl, das den Mund beim Probieren beflügelt. Der Bross wird in einigen mittelalterlichen Statuten (Cuneo, Mondovì) mit ähnlichen Namen erwähnt: brocius, broxíus, brozius, broxius, brozus, brucíus. In Vittorio di Sant’Albinos „Gran Dizionario piemontese italiano“ von 1859 heißt es: „Eine Art von sehr starkem Cacio, der aus anderem alten und stark fermentierten Cacio hergestellt wird, der mit Aqua Vitae, Butter und anderen Drogen vermischt und dann versiegelt und in kleinen Döschen aufbewahrt wird.“ Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt es: „l’infernale mantecato, da resuscitare un morto„, ein höllisches Mantecato (eine gerührte Masse, ein Mousse oder eine Creme), das einen von den Toten auferweckt.

Bross besteht aus einer Mischung verschiedener Käsesorten, Schafs-, Ziegen- und Kuhmilchkäse in nicht definierten Mengen, je nachdem, was Sie zu Hause haben. Die Käsesorten werden auch mit Käserinden und anderen Käseresten vermischt.

Sein Aroma ist stechend, der Duft verlockend: Bei den Langa bricchi sagt man scherzhaft, dass er sogar das Glas durchdringt, in dem er aufbewahrt wird. Sein scharfer Geschmack gab Anlass zu dem Sprichwort „Nur die Liebe ist stärker als der Bross“ (solo l’amore è più forte del bross) oder wie es im piemontesischen Dialekt heißt: „Mac l’amor a l’é pi fòrt che ‚l bros„.

Am Ende der Reifezeit des Bross ist das gastronomische Wunder vollbracht, ein wahres Feuerwerk an Energie und Vitalität, das man instinktiv liebt, weil man weiß, dass jede Frau die ihn hergestellt hat, eine Prise Fantasie und ihre geheime Note hineingesteckt hat, um es für ihren Mann „einzigartig“ zu machen. Und sich damit zu brüsten, noch immer Bross zu essen, wie es der Graf Pioletto in dem gleichnamigen Stück von Carlo Giuseppe Giovan Battista Tana, dem piemontesischen Botschafter in Madrid im Jahr 1675, tut, hatte viele schelmische Facetten. Auf literarischem Gebiet ist Tana für die teils auf Piemontesisch, teils auf Italienisch verfasste Komödie „Ël Cont Piolet“ bekannt, die bei Hofe aufgeführt und 1784 posthum veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Opera buffa, deren Handlung die Karikatur eines Adligen, Graf Pioletto, ist.

Bross wird in verschiedenen Variationen zubereitet, wobei die bekanntesten Namen „Brussu“ aus den Tälern von Cuneo, „Bruz“ und „Buzzu“ sind. Die Ähnlichkeit der Namen lässt vermuten, dass der Ursprung vom piemontesischen „brusé„, brennend, herrührt, denn wer ihn kostet, spürt ein gewisses Brennen.

Das Alter dieser Spezialität ist unbekannt, obwohl sie wahrscheinlich schon vor Beginn des neunzehnten Jahrhunderts bekannt war, als Vittorio di Sant’Albino sie in seinem piemontesisch-italienischen Wörterbuch beschrieb. Ursprünglich ging es darum, Abfall zu vermeiden: Alte, harte und/oder verschimmelte Käsestücke wurden mit hausgemachtem Grappa sowie eventuell mit Butter und Gewürzen vermischt. Es gibt keine genauen Mengenangaben für die Zutaten, man gibt das, was man zu Hause hat, zur Gärung in einem Steingutbehälter (Terracotta), der „Ola“, einem Keramiktopf, ähnlich einem Gärtopf für Sauerkraut oder Gurken, bis die Mischung eine cremige Konsistenz annimmt. Dann wird sie nach der Säuerung und Gärung in speziellen Holzbehältern, traditionell aus Lärche oder Kirschholz abgefüllt, abgedeckt und wird wie eine Konfitüre behandelt.

Der Brös hat in den letzten Jahren ein gewisses Gütesiegel erhalten und ist häufig in den Restaurants der Langhe zu finden. Die robuste traditionelle Rezeptur ist jedoch weitgehend durch eine auf Frischkäse wie Robiola und Weißwein basierende ersetzt worden.

Brus da ricotta ist eine Version ohne Wein oder Grappa, die in verschiedenen Teilen des Piemonts durch die Fermentierung von Schafsmilch-Ricotta-Käse für einen Monat oder länger und die Aromatisierung mit Chili oder schwarzem Pfeffer hergestellt wird. Er ist von der Regionalregierung als „traditionelles piemontesisches Produkt“ anerkannt worden.

Der Bruzzu ist ein ähnliches alkoholfreies Produkt, das diesmal auf Schafsmilch-Ricotta basiert und in den Gemeinden Triora, Molini di Triora und Cosio di Arroscia in der Provinz Imperia im Westen Liguriens hergestellt wird. Der Käse wird in der von Stefano Jacini geleiteten Regierungsuntersuchung über die Landwirtschaft in den Jahren 1877-1882 erwähnt und war bis in die 1990er Jahre sehr beliebt. Im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts erlebte er eine Art Wiedergeburt und wurde in den Katalog der Arche des Geschmacks für historische Lebensmittel aufgenommen. Der Ricotta wird zum Abtropfen in Formen gefüllt und dann in Holzkesseln zum Gären gebracht, meist unter Zugabe von Salz. Nach einer Reifezeit von etwa einer Woche im Keller ist der Käse verzehrfertig. Es gibt ihn in verschiedenen Größen, er hat eine cremige Konsistenz und ist elfenbeinfarben oder bräunlich-weiß. Es handelt sich hier aber definitiv um die „Touristen-Version“ des Bross.

In den Langhe haben die alten Bauern und Winzer (Langhet) schon immer den „Wanderkäse“ „il formaggio che cammina“ geliebt und daraus einen Mythos gemacht, indem sie behaupteten, er enthalte Würmer, die sich angeblich nach einer zweiten Gärung bilden. Im „Bross“ finden sind jedoch keine (lebenden) Würmer, da der Zusatz von Grappa deren Entwicklung verhindert. Trotzdem wird er gerne als “formaggio che cammina”, bezeichnet. Dies mag daher kommen, dass sich Würmer in dem Käse einnisten können, bevor der Grappa zugegeben wurde.

„Bross“ wird in kleinen Mengen auf, vorzugsweise über einem Holzofen gerösteten Polentascheiben oder auf harten, selbst gebackenen Brotscheiben gegessen. Man kann den Bross, wenn er etwas zu flüssig ist, auch durch ein Käsetuch abtropfen lassen und so eine festere Konsistenz erreichen.

Das Reich des Bross ist die Herbsttafel mit dem Wahrzeichen der Gastronomie von Cuneo, dem Soma d’aj, dem gerösteten Knoblauchbrot. Er gilt seit jeher als der Käse des armen Mannes, denn eine kleine Menge reicht für viele Brote. Er passt hervorragend zu Micchetta, die mit Knoblauch angebraten und mit nativem Olivenöl übergossen und dann gesalzen werden.

Zutaten:
500 g alten  Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Blauschimmelkäse, einschließlich der verschiedenen Käserinden
1 Glas Olivenöl
1 Glas frische Milch oder Sahne
5-6 Körner Schwarzer Pfeffer
getrocknete rote Pfefferschoten nach Geschmack
4 Wacholderbeeren
eine Handvoll gemahlene Walnusskerne
1 Glas Weißwein
1 Glas guter Grappa
1 Zweig frischer Rosmarin
Mengen an die Konsistenz anpassen!

Wenn die Mischung nicht homogen genug ist, kann man auch einen Pürierstab benutzen und alles zu einer homogenen Masse mixen (Danke Marcel Hauswirth für den Tipp aus der 🇨🇭!). Hat den Vorteil, dass man gleich ein Gefühl dafür bekommt, wie dick- oder dünnflüssig der Ansatz ist. Bei Bedarf kann dann noch Wein, Öl oder Milch/Sahne hinzugegeben werden. Nach dem Pürieren den Rosmarinzweig auflegen. Der Topf sollte nun an einem nicht zu kalten Ort aufgestellt werden, da er für die Gärung eine gewisse Wärem benötigt.

Die Mischung täglich umrühren (den Rosmarinzweig unterrühren) und ggf. Milch dazugeben, falls die Mischung zu trocken wird.

Die Tradition schreibt vor, dass der Sud durch Drehen des Holzlöffels im Uhrzeigersinn umgerührt wird, während andere behaupten, dass auch Drehungen gegen den Uhrzeigersinn, die der Hälfte der Drehungen im Uhrzeigersinn entsprechen, vorgenommen werden sollten.

Wenn die Gärung eingesetzt hat, sollte der Behälter gut abgedeckt an einen kühlen, dunklen Ort gestellt werden. Die Bross ist fertig, wenn die Masse zu einer duftenden Creme geworden ist. Die Zugabe von Grappe stoppt schließlich die Gärung. Nach der Zugabe des Grappa sollte der Bross noch etwas reifen.

Je nach Geschmack können Sie mehr Grappa oder mehr oder weniger frische Milch oder besser Sahne hinzufügen.

Bross wird im Topf angesetzt

Nach dem Ansatz heißt es drei Monate warten!

In Frankreich gibt es eine ähnliche Zubereitung, den „Fromage fort“, bei dem auch noch Knoblauch zugegeben wird.

Fromage Fort
Fromage Fort (Frz. “Kräftiger Käse”) ist eine französische Käsespezialität, die in den Weinbaugebieten des Landes beheimatet ist. Der Fromage Fort wird aus geriebenem oder klein geschnittenem Käse bzw. Käsereste, die mit Wein, Schnaps, Öl, Brühe, Milch, Molke oder Butter sowie mit Kräutern und Gewürzen wie Knoblauch vermischt werden. Fromage Fort ist ein beliebter Brotaufstrich und wird auch als Zwischenmahlzeit oder Brotzeit gegessen.

Fromage Fort wurde früher als Resteverwertung verwendet. Mit ihm konnte man alten und hart gewordenen Käse wieder weich und verzehrfähig machen und musste das wertvolle Lebensmittel nicht wegwerfen. Außerdem stellte es eine willkommene Abwechslung im sonst eher eintönigen Speiseplan der Bauern und Winzer dar. Der Käse wurde mit Alkohol und anderen Zutaten vermengt und in Steinguttöpfe gefüllt.

Wird der Fromage Fort aus Ziegenkäseresten hergestellt, dann nennt man das Endprodukt Cachat oder Cacheilla.

Heutzutage wird Fromage Fort meistens nicht mehr aus Käseresten gemacht, sondern aus normalem Käse. Der Fromage Fort kann frisch gegessen oder bis zu 1 Woche und länger im kühlen Keller oder im Kühlschrank aufbewahrt werden. Je länger er reift, desto kräftiger wird sein Aroma.

In den Weinbaugebieten wird der Fromage Fort mit den dort angebauten Weinen gewürzt, so zum Beispiel im Beaujolais, im Mâconnais, in Nord-Pas-de-Calais, in der Dauphine, im Lyonnais (Fromage Fort du Lyonais) oder in den Höhenlagen des Mont Ventoux (Cachat d’Entrechaux). Aus Nordfrankreich stammt der Fromage Fort de Béthune, der aus sehr lange gereiftem Maroilles zusammen mit Petersilie, Estragon, Pfeffer und Bier gemischt und 2–3 Monate gelagert wird. Dabei entwickelt er ein sehr kräftiges Aroma und einen pikanten und kräftigen Geschmack. Für den Confit d’Epoisses dagegen wird sehr junger Epoisses eine Woche lang in Weißwein und Marc de Chamapgne eingelegt. Danach wird die Marinade weggeschüttet und noch einmal frischer Weißwein angegossen. Dieser Fromage Fort ist cremig und recht mild.

Für Fromage Fort eignet sich praktisch jede Käsesorte von Hartkäse bis Weichkäse. In Bayern gibt es mit dem Obazda eine ähnliche Resteverwertung, dieser wird aber ohne Alkohol hergestellt und meistens frisch verzehrt, da er aufgrund der darin enthaltenen Zwiebeln sehr schnell gären kann.

Rezept Fromage Fort

  • 500 g Käse (Reste) nach Geschmack bei Raumtemperatur (Parmesan, Camembert, Brie, Ziegenfrischkäse, Roquefort, Cheddar, usw.)
  • 300 ml trockener Weißwein
  • 3 El Butter
  • 2 El fein geschnittene Petersilie
  • 1 Knoblauchzehe

Wenn nötig den Käse entrinden. Hartkäse fein reiben, anderen Käse in etwa 1,5 cm große Würfel schneiden. Alle Zutaten in einen Küchenmixer oder Mörser geben und zu einer kompakten, gleichmäßigen und feinen Masse mixen. Fromage Fort in eine luftdicht verschließbare Dose geben.

Der Fromage Fort kann sofort serviert werden. Für eine festere Konsistenz kann man ihn auch vor dem Servieren eine Stunde in den Kühlschrank geben. Fromage Fort hält sich, gut verschlossen, bis zu 1 Woche im Kühlschrank und wird dabei immer kräftiger im Aroma.

Fromage Fort eignet sich gut als Brotaufstrich auf knusprigem Baguette oder frischem Bauernbrot. Er lässt sich auch gut unter dem Grill überbacken.

Das Rezept lässt sich beliebig abwandeln, bspw. in dem man mehrere Käsesorten verwendet, andere Kräuter oder Gewürze untermischt, einen Teil des Weines mit Gemüsebrühe ersetzt oder einen Schuss Schnaps zugibt.





Sauerteig aus Kefir oder Joghurt

Ein anderer Ansatz Sauerteig herzustellen ist die Verwendung von selbstgemachtem Kefir. Bei der „klassischen“ Methode der Sauerteig Herstellung müssen sich die „guten“ Hefen und Milchsäurebakterien erst langsam gegen alle anderen Hefen und Bakterien der Umgebung durchsetzen.

Das ist bei Milchkefir-Sauerteig anders, denn hier werden bereits erwünschte Bakterien und Hefen zugesetzt.

In Kefir finden sich je nach dem Ort an dem man lebt und welchen Starterpilz man verwendet eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Bakterien und Hefen die im Kefirpilz in einer Art symbiotischer Wohngemeinschaft leben und ein Cluster bilden.

Die folgenden Stämme sind nach Typ gruppiert und sind das Ergebnis jahrelanger Forschung des leider viel zu früh verstorbenen Dominic Anfiteatro, einem führenden Kefirforscher:

Laktobazillen
Lactobacillus acidophilus
Lb. brevis [Possibly now Lb. kefiri]
Lb. casei subsp. casei
Lb. casei subsp. rhamnosus
Lb. paracasei subsp. paracasei
Lb. fermentum
Lb. cellobiosus
Lb. delbrueckii subsp. bulgaricus
Lb. delbrueckii subsp. lactis
Lb. fructivorans
Lb. helveticus subsp. lactis
Lb. hilgardii
Lb. helveticus
Lb. kefiri
Lb. kefiranofaciens subsp. kefirgranum
Lb. kefiranofaciens subsp. kefiranofaciens
Lb. parakefiri
Lb. plantarum


Streptokokken/Laktokokken
Streptococcus thermophilus
St. paracitrovorus
Lactococcus lactis subsp. lactis
Lc. lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis
Lc. lactis subsp. cremoris
Enterococcus durans
Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris
Leuc. mesenteroides subsp. mesenteroides
Leuc. dextranicum


Hefen
Dekkera anomala / Brettanomyces anomalus
Kluyveromyces marxianus / Candida kefyr
Pichia fermentans / C. firmetaria
Yarrowia lipolytica / C. lipolytica
Debaryomyces hansenii / C. famata
Deb. [Schwanniomyces] occidentalis
Issatchenkia orientalis / C. krusei
Galactomyces geotrichum / Geotrichum candidum
C. friedrichii
C. rancens
C. tenuis
C. humilis
C. inconspicua
C. maris
Cryptococcus humicolus
Kluyveromyces lactis var. lactis
Kluyv. bulgaricus
Kluyv. lodderae
Saccharomyces cerevisiae
Sacc. subsp. torulopsis holmii
Sacc. pastorianus
Sacc. humaticus
Sacc. unisporus
Sacc. exiguus
Sacc. turicensis sp. nov
Torulaspora delbrueckii
* Zygosaccharomyces rouxii

Der Mittelwertbereich:
Bazillen 66, 62-69%
Streptokokken 16, 11- 12%
Hefen 18, 16- 20%

Entwicklungsreihenfolge zwischen den Gattungsgruppen während des Kefirkulturzyklus:
Laktokokken > Laktobazillen > Leuconostoc > Hefe > Acetobacter

Quelle: Yemoos Nourishing Cultures

Auch in Sauerteig finden sich sehr viele verschiedene Bakterien und Hefen. Die Fermentation von Sauerteig wird seit Tausenden von Jahren eingesetzt, um Lebensmittel zu konservieren und ihre Qualität zu verbessern. Die Rolle der Mikroben bei der Fermentation wurde jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts von Louis Pasteur nachgewiesen.

Was wir mit Sicherheit über die Mikroben in Sauerteigstartern wissen, ist, dass sie Milchsäurebakterien und Hefe enthalten. Die Hefen bewirken, dass der Teig aufgeht, indem sie Kohlendioxidblasen bilden, während die Milchsäurebakterien für den sauren Geschmack sorgen (in Form von Essig- und Milchsäure) und das Brot konservieren, indem sie den pH-Wert absenken, was das Wachstum von Krankheitserregern im Brot verhindert.

Forscher haben verschiedene Techniken zur Untersuchung der Mikroben in Sauerteigstartern eingesetzt, darunter traditionelle Kulturtechniken und PCR-basierte Verfahren. Aus diesen frühen Studien ist bekannt, dass mehr als 50 Arten von Milchsäurebakterien (hauptsächlich Lactobacillus spp.) und mehr als 20 Hefearten (hauptsächlich Saccharomyces spp. und Candida spp.) in Sauerteigstartern leben.

Woher stammen die Mikrobenarten in der Starterkultur von Sauerteig? In einer Studie vom Januar 2020 versuchten Reese et al. die Herkunft der Mikroben zu bestimmen, indem sie die Bakterien und Pilze in Sauerteig-Starterkulturen sequenzierten, die von 18 professionellen Bäckern nach einem standardisierten Rezept und mit standardisierten Zutaten hergestellt wurden. Die Mikroben in den Sauerteigansätzen wurden mit denen auf den Händen der Bäcker und in den Zutaten verglichen. Mikroben, die zuvor in Sauerteigansätzen dokumentiert worden waren, fanden sich auch in den Ansätzen der Bäcker: die häufigsten Ordnungen waren Saccharomycetales für Hefen und Lactobacillales für Bakterien. Die in den Starterkulturen gefundenen mikrobiellen Gemeinschaften waren insgesamt denjenigen im Mehl am ähnlichsten; daher kommen die meisten Bakterien und Hefen mit dem Mehl in den Sauerteig.

Einige der Mikroben stammten jedoch von den Händen der Bäcker. Die verschiedenen Bäcker hatten unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften in ihren Starterkulturen, obwohl alle Bäcker das gleiche Starterkultur-Rezept und die gleiche Mehlquelle verwendeten.

Verändern sich diese Gemeinschaften im Laufe der Zeit? Wenn Mehl und Wasser gemischt werden, wächst in den Starterkulturen des Sauerteigs eine anfängliche Mikrobenpopulation, die sich aber im Laufe der Zeit durch einen „mikrobielle Sukzession“ genannten Prozess verändert. Mit der Zeit dominieren bestimmte Arten von Milchsäurebakterien und Hefe die Population. Diese Gemeinschaften können entweder stabil bleiben oder sich aus verschiedenen Gründen verändern, z. B. durch das Einbringen von Mikroben aus zugesetztem Mehl oder aus der Umwelt sowie durch Schwankungen der Fermentationsdauer oder der Salzkonzentration.

Wir wissen immer noch nicht genau, wie sich das Sauerteigmikrobiom in Abhängigkeit von Parametern wie Mehlsorten, Wasser, dem geografischen Standort des Bäckers oder dem physischen Standort der Starterkultur verändert. Außerdem werden Starterkulturen ausgetauscht, verschenkt und über Generationen hinweg weitergegeben, so dass sie an ganz anderen Orten landen können, als sie ursprünglich waren.

Jüngere Sauerteigstarter enthalten in der Regel Lactobacillus plantarum oder brevis„. Ä ältere Sauerteigansätze neigen dazu, Lactobacillus sanfranciscensis zu enthalten, wobei festgestellt wurde, dass er nicht geografisch gebunden ist. Er ist sauerteiggebunden.

Sauerteig verwandelt für uns giftige oder unbekömmliche Bestandteile des Mehles in gesündere und leichter verdauliche Bestandteile. Kefir statt Wasser für den Ansatz zu verwenden, bringt diese gesunden Stoffe des Kefirs ins Brot. Trotz gewisser Einbußen durch die Backhitze entsteht so ein sehr gesundes Brot. Da wir den Teig vor dem Verzehr backen, nehmen wir die im Sauerteig enthaltenen Mikroorganismen meist nicht mehr lebendig zu uns. Warum dann der ganze Aufwand? Es hat sich gezeigt, dass selbst tote Mikroben immer noch eine positive Wirkung auf die Gesundheit erzielen können: Dieser Effekt heißt „probiotisches Paradox“ (Probiotic Paradox). Er zeigt, dass die sterblichen Überreste von Mikroorganismen in unserem Darm erkannt werden. Sie können so einen regulierenden Effekt auf das Immunsystem ausüben und Entzündungen entgegenwirken. Hinzu kommen noch alle enthaltenen Stoffe, die während der Fermentation entstanden sind und nicht durch Hitze zerstört werden. Zum Beispiel bilden manche Milchsäurebakterien-Stämme Beta Glukane, welche präbiotisch wirken und somit Futter für unsere guten Darmbakterien sind.

Sauerteig mit Kefir ansetzen
Ich verwende ausschließlich Dinkelmehl zum Backen, man kan aber auch jedes andere helle Mehl benutzen. Der Ansatz von Kefir-Sauerteig ist genauso einfach wie der klassische Ansatz mit Wasser:

  • 10g Dinkelvollkorn-Mehl
  • 40g Dinkelmehl Typ 630
  • 45g selbstgemachter Kefir

Der Ansatz wird nun alle 24 h Stunden gefüttert, indem immer wieder dieselbe Menge der Zutaten hinzugefügt wird. Es hat sich bewährt den Starteransatz entweder mit einem Schneebesen oder auf niedriger Stufe mit einem elektrischen Sahnebesen zu mischen. Auf diese Art wird viel Sauerstoff (Luft) unter den Teigansatz gemischt. Dadurch können sich die Bakterien und Hefen besser vermehren, was das anschließende Aufgehen sowohl des Brotes als auch des Sauerteiges selbst fördert.

Wenn der Kefir-Sauerteigansatz eine knappe Woche gefüttert wurde, kann man bereits damit beginnen Brot damit zu backen. Je älter der Sauerteig wird, umso mehr Aromen wird er bilden und umso individueller wird das damit gebackene Brot schmecken.

Sauerteig zeigt uns an einem einfachen Beispiel, wie die Natur das Naturkonzept des ewigen Lebens im Stoffkreislauf realisiert. Eigentlich sind sowohl ein Kefirpilz und auch ein Sauerteig unsterblich!

Lievito madre mit Joghurt „beruhigen“
Wenn mein LM einmal zu sauer wird oder zu sehr nach Essig riecht, benutze ich die Bade-Methode:
Die feste LM in etwa golfballgroße Stücke schneiden und in eine Schüssel mit leicht gezuckerten Wasser (2 g Zucker pro Liter Wasser) legen und etwa 15 – 30 Min darin ruhen lassen und dann entnehmen und leicht ausdrücken. Wenn man zu Beginn der Prozedur den pH-Wert des Wassers misst und dann nach dem Herausnehmen der LM, wir dman feststellen, dass das Wasser deutlich suerer geworden ist.
Die „entsäuierte“ LM mische ich dann mit Mehl und einigen Esslöffeln selbstgemachtem „milden“ Joghurt. Der Joghurt sollte nicht sauer sein. Die LM lasse ich dann an einem warmen Ort ruhen. Da sie Baterien aus dem Joghurt thermophil sind, gedeiht die LM in der Wärme hervorragend und das Ergebnis ist eine sehr gut riechende und nicht mehr sauere LM.
Siehe dazu auch den Film auf YouTube.