Joghurtbutter – laktosefrei / fermentiert

Wer seine Butter selber machen will, der braucht zuerst frische Sahne, am besten aus Rohmilch. Wer Sahne kaufen will oder muss, dem empfehle ich Bio- oder Demeter-Sahne. Bei jeder anderen Sahne steht auch frische Schlagsahne auf der Packung, aber es sind Zusätze in der Sahne, die es unmöglich machen, aus der Sahne Butter zu machen.

Auf jeden Fall sollten die Inhaltsangaben auf der Packung oder Flasche beachtet werden! Es dürfen keine Stabilisatoren oder Bindemittel in der Sahne sein wie z.B. Carrageen (E407), da sich Fett und Flüssigkeit sonst nie voneinander trennen. Man kann die Sahne dann ewig aufschlagen, sie wird dann nicht fest und das Fett wird sich nicht von der Flüssigkeit trennen.

In Schlagsahne hat Carrageen die Aufgabe, das „Aufrahmen“ der Sahne zu verhindern, also die Bildung des oben schwimmenden Fettrands. Die Sahne vieler Bio-Hersteller kommt ohne E 407 aus und muss vor dem Gebrauch bei Zimmertemperatur einfach kräftig geschüttelt werden, damit sich das abgesetzte Fett mit der Flüssigkeit verbindet. 

Je höher der Fettgehalt der Sahne, umso besser! Sahne mit 35 % ist besser als Sahne mit 30 %, funktioniert aber auch, wenn die oben genannten Bedingungen stimmen.

Und wie so oft gilt, je besser die Qualität, desto besser das Endprodukt und der Geschmack.

Weiterhin benötigen wir Joghurt. Der Joghurt darf nicht wärmebehandelt sein! Am besten ist auch hier selbst gemachter Joghurt. Der Säuregehalt des Joghurt bestimmt auch den Säuregehalt der fertigen Butter. Durch die Zugabe von Joghurt fermentiert die Sahne im Joghurtbereiter zu Sahnejoghurt mit hohem Fettgehalt.

Die Vorteile von Joghurtbutter liegen nicht nur im verminderten Kaloriengehalt, verglichen mit „normaler“ Butter. Kommt Joghurtbutter direkt aus dem Kühlschrank, ist sie wegen des Joghurtanteils trotzdem relativ gut streichbar. Normale Butter hingegen ist dafür meist zu hart und muss erst etwas bei Zimmertemperatur stehen. Normale Butter und Joghurtbutter unterscheiden sich im Geschmack. Letztere schmeckt etwas frischer und säuerlicher und so etwas weniger typisch nach Butter. Je länger die Sahne mit dem Joghurt fermentierte, desto säuerlicher schmeckt die Butter. Bei 12 Stunden Fermentationsdauer ist die Laktose fast vollständig abgebaut.

Zutaten:
500 ml Rohmilch-Sahne oder Demeter-Sahne ohne Zusatzstoffe
3-4 EL Joghurt, selbstgemacht, mit aktiven Kulturen

Die Sahne und den Joghurt gut vermischen. Die Mischung kommt dann in den Joghurtbereiter und wird dort 12 Stunden (über Nacht) fermentiert. Danach befindet sich im Joghurtbereiter Sahnejoghurt.

Das Gefäß mit dem Sahnejoghurt kommt nun für mindestens 4 Stunden in den Kühlschrank.

In dieser Zeit kann man seinen Arbeitsplatz vorbereiten.

Bereitgestellt werden sollten:
Küchenmaschine (z.B. KitchenAid) mit Schneebesenrührer oder Handmixer mit Rührschüssel
Einige Geschirrtücher
Eine Schüssel zum Auffangen der Buttermilch
1 größere Schüssel zum Waschen der Butter
1 Silikonspatel
Eiswürfel
1 großes, feinmaschiges Küchensieb
Dünne Latexhandschuhe/Einweghandschuhe

Der Sahnejoghurt kommt nun in die Rührschüssel und wird ca. 10 Minuten geschlagen. Die Schüssel sollte man mit einem Geschirrtuch abdecken, in der Endphase spritzt sonst die Buttermilch heraus und verschmutzt den Arbeitsplatz.

Nach etwa 10 Minuten beginnt sich feste Sahne zu bilden. Die fest werdende Sahne weiter schlagen. Nach einer Weile beginnt die Sahne „grieselig“ zu werden und es entstehen immer mehr kleine Butterklümpchen.

Die Sahne immer weiter schlagen. Wenn man ein „plätschern“ hört, hat sich die Buttermilch bereits teilweise vom Fett getrennt. Allerspätestens jetzt sollte die Schüssel abgedeckt werden. Die Sahne weitere 3-5 Minuten aufschlagen.

Die Masse mit der Flüssigkeit nun in das Sieb geben und abtropfen lassen. Dabei mit dem Silikonspatel immer mehr Buttermilch auspressen.

Die aufgefangene Buttermilch in den Kühlschrank stellen und dann trinken oder anderweitig verwenden.

Nun ist es an der Zeit die Latexhandschuhe anzuziehen und die größere Schüssel mit sehr kaltem Wasser zu füllen und die Eiswürfel hinzuzugeben. Die Buttermasse in das Eiswasser geben und die Masse mit den Händen auswaschen. Dabei drücken und kneten, um so die letzten Reste der Buttermilch zu entfernen. Das Wasser öfter wechseln und die Butter weiter kneten. Der Vorgang wird wiederholt, bis das Wasser klar bleibt.

Um die letzte Flüssigkeit aus der Butter heraus zu bekommen, legt man sie auf die Arbeitsfläche und knete sie weiter durch. Die Arbeitsfläche sollte dabei regelmäßig abgewischt werden, um das austretende Wasser zu entfernen.

Wer Salzbutter bevorzugt kann nun ca. 1,8% (oder je nach Geschmack auch mehr) des Gewichts der Butter an Salz hinzugeben und dieses Salz unterkneten. In der Normandie wird Fleur de Sel untergeknetet. Man merkt bei dieser Butter beim Verzehr die Kristalle noch auf der Zunge.

Wenn kein oder kaum noch Wasser austritt, kann die Butter geformt werden. Dazu empfiehlt sich eine traditionelle Butter Model aus Holz.

Bevor die Butter in die Model kommt, muss die Model gewässert werden. Denn nur von nassem Holz löst sich das Fett auch wieder. Am besten legt man die Form für mindestens zwei Stunden in kaltes Wasser, besser noch über Nacht. Soll es schneller gehen, genügt es, die Model erst zehn Minuten in heißes Wasser zu legen und danach zehn Minuten in sehr kaltes.

Danach die erste Schicht der nicht zu weichen, kühlen Butter mit einem Löffel oder mit der Hand (hierfür am besten wieder Latexhandschuhe anziehen) auf den Boden der Form drücken, so dass das Motiv richtig ausgefüllt ist. Dann die Form bis zum Rand voll Butter streichen.

Die gefüllte Model kurz in den Kühlschrank stellen. Man kann die Model auch kurz in Eiswasser stellen. Nun die Butterränder leicht und vorsichtig (nicht das Holz beschädigen!) mit einem Messer lösen und die Butter aus der Form herausgeklopft. Dazu am besten ein Handtuch unterlegen.

Mit selbst gemachter Butter funktioniert das Herauslösen sehr gut, denn neben dem Wasserfilm auf der Holzmodel, enthält auch die frische Butter mehr Wasser als gekaufte.

Nun darf die Butter noch über Nacht im Kühlschrank reifen. Natürlich schmeckt sie auch sofort nach der Herstellung, aber sie wird besser, wenn sie ein paar Stunden im Kühlschrank geruht hat.



Was ist Molkeessig?

Französisches Essigfass
Französisches Essigfass

Molkeessig ist ein bernsteinfarbener Essig, der aus Molke hergestellt wird, die bei der Käseherstellung oder aus Magermilch anfällt. Aber auch die bei der Frischkäse Abtropfung von Joghurt oder Kefir anfallende Molke eignet sich ganz vorzüglich zur Herstellung von Molkeessig.

Alles, was Zucker enthält, kann zu Alkohol und alles, was Alkohol enthält, zu Essig vergären. Milch enthält wie viele andere Getränke Zucker in Form von Lactose. Daher wird eine andere Hefe als für die Bier- oder Weinherstellung verwendet, um die Laktose in Alkohol umzuwandeln. 

Die Molke wird zunächst durch Zugabe einer Hefe wie „Kluyveromyces fragilis“ alkoholisch gemacht, um so die Gärung einzuleiten. Nachdem sie alkoholisch geworden ist, wird eine Starterkultur wie „Acetobacter pasteurianus“ hinzugefügt, um den Alkohol in Essigsäure umzuwandeln.

Kluyveromyces marxianus ist eine Hefeart der Gattung Kluyveromyces. K. marxianus wird kommerziell benutzt, um Lactaseenzyme herzustellen, ähnlich wie mit anderen Pilzen wie etwa der Gattung Aspergillus.

Der größte kommerzielle Verwendungszweck von Molke zur Essigherstellung ist nicht direkt Molkeessig, sondern Molkealkohol, der destilliert und zur Herstellung von weißem Branntweinessig verwendet wird. Zwar werden dabei Milchprodukte verwendet, doch werden durch die Destillation fast alle Proteine entfernt, so dass Laktoseintolerante oder Milchallergiker nicht gefährdet sind.

Reiner Molkeessig wird manchmal in Mitteleuropa, insbesondere in Österreich und der Schweiz, verkauft. Er hat eine gelbe Farbe und ist überraschenderweise recht nahrhaft, insbesondere was den Vitamin-B-Gehalt betrifft. Der Säuregehalt des fertigen Produkts liegt schließlich zwischen 5 und 6 %.

Zuhause kann man Molkeessig aus anfallender Molke selbst herstellen. Die Molke wird mit etwas Zucker versetzt, ein Gärstopfen wird aufgesetzt und zwei Wochen an einem warmen Ort stehen gelassen, bis die Gärung abgeschlossen ist. Danach wird die Flüssigkeit durch ein Tuch gefiltert. Diese alkoholische Flüssigkeit wird in ein lichtdichtes Gefäß abgefüllt und mit einem Gazetuch bedeckt, das mit einem Gummi fixiert wird. Im Gegensatz zur alkoholischen Gärung muss bei der Essiggärung Luft an die Flüssigkeit gelangen. Jedoch sollen keine Essigfliegen oder anderes Ungeziefer in die Flüssigkeit gelangen, daher die Gaze.

Kommerzielles Produkt aus Südtirol (Alto Adige)

Nach weiteren 2-3 Wochen, in denen die Flüssigkeit täglich gerührt wurde, kann der Essig abgefiltert werden. In Gläser luftdicht abgefüllt sollte er noch weitere 6 Monate nachreifen.

Man kann natürlich der Molke zur besseren Gärung Kluyveromyces fragilis Kulturen zusetzen. Auch kann man der alkoholisch gegärten Molke dann Acetobacter pasteurianus zusetzen. Aber oben beschriebene Methode funktioniert auch.

Sauerteig aus Kefir oder Joghurt

Ein anderer Ansatz Sauerteig herzustellen ist die Verwendung von selbstgemachtem Kefir. Bei der „klassischen“ Methode der Sauerteig Herstellung müssen sich die „guten“ Hefen und Milchsäurebakterien erst langsam gegen alle anderen Hefen und Bakterien der Umgebung durchsetzen.

Das ist bei Milchkefir-Sauerteig anders, denn hier werden bereits erwünschte Bakterien und Hefen zugesetzt.

In Kefir finden sich je nach dem Ort an dem man lebt und welchen Starterpilz man verwendet eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Bakterien und Hefen die im Kefirpilz in einer Art symbiotischer Wohngemeinschaft leben und ein Cluster bilden.

Die folgenden Stämme sind nach Typ gruppiert und sind das Ergebnis jahrelanger Forschung des leider viel zu früh verstorbenen Dominic Anfiteatro, einem führenden Kefirforscher:

Laktobazillen
Lactobacillus acidophilus
Lb. brevis [Possibly now Lb. kefiri]
Lb. casei subsp. casei
Lb. casei subsp. rhamnosus
Lb. paracasei subsp. paracasei
Lb. fermentum
Lb. cellobiosus
Lb. delbrueckii subsp. bulgaricus
Lb. delbrueckii subsp. lactis
Lb. fructivorans
Lb. helveticus subsp. lactis
Lb. hilgardii
Lb. helveticus
Lb. kefiri
Lb. kefiranofaciens subsp. kefirgranum
Lb. kefiranofaciens subsp. kefiranofaciens
Lb. parakefiri
Lb. plantarum


Streptokokken/Laktokokken
Streptococcus thermophilus
St. paracitrovorus
Lactococcus lactis subsp. lactis
Lc. lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis
Lc. lactis subsp. cremoris
Enterococcus durans
Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris
Leuc. mesenteroides subsp. mesenteroides
Leuc. dextranicum


Hefen
Dekkera anomala / Brettanomyces anomalus
Kluyveromyces marxianus / Candida kefyr
Pichia fermentans / C. firmetaria
Yarrowia lipolytica / C. lipolytica
Debaryomyces hansenii / C. famata
Deb. [Schwanniomyces] occidentalis
Issatchenkia orientalis / C. krusei
Galactomyces geotrichum / Geotrichum candidum
C. friedrichii
C. rancens
C. tenuis
C. humilis
C. inconspicua
C. maris
Cryptococcus humicolus
Kluyveromyces lactis var. lactis
Kluyv. bulgaricus
Kluyv. lodderae
Saccharomyces cerevisiae
Sacc. subsp. torulopsis holmii
Sacc. pastorianus
Sacc. humaticus
Sacc. unisporus
Sacc. exiguus
Sacc. turicensis sp. nov
Torulaspora delbrueckii
* Zygosaccharomyces rouxii

Der Mittelwertbereich:
Bazillen 66, 62-69%
Streptokokken 16, 11- 12%
Hefen 18, 16- 20%

Entwicklungsreihenfolge zwischen den Gattungsgruppen während des Kefirkulturzyklus:
Laktokokken > Laktobazillen > Leuconostoc > Hefe > Acetobacter

Quelle: Yemoos Nourishing Cultures

Auch in Sauerteig finden sich sehr viele verschiedene Bakterien und Hefen. Die Fermentation von Sauerteig wird seit Tausenden von Jahren eingesetzt, um Lebensmittel zu konservieren und ihre Qualität zu verbessern. Die Rolle der Mikroben bei der Fermentation wurde jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts von Louis Pasteur nachgewiesen.

Was wir mit Sicherheit über die Mikroben in Sauerteigstartern wissen, ist, dass sie Milchsäurebakterien und Hefe enthalten. Die Hefen bewirken, dass der Teig aufgeht, indem sie Kohlendioxidblasen bilden, während die Milchsäurebakterien für den sauren Geschmack sorgen (in Form von Essig- und Milchsäure) und das Brot konservieren, indem sie den pH-Wert absenken, was das Wachstum von Krankheitserregern im Brot verhindert.

Forscher haben verschiedene Techniken zur Untersuchung der Mikroben in Sauerteigstartern eingesetzt, darunter traditionelle Kulturtechniken und PCR-basierte Verfahren. Aus diesen frühen Studien ist bekannt, dass mehr als 50 Arten von Milchsäurebakterien (hauptsächlich Lactobacillus spp.) und mehr als 20 Hefearten (hauptsächlich Saccharomyces spp. und Candida spp.) in Sauerteigstartern leben.

Woher stammen die Mikrobenarten in der Starterkultur von Sauerteig? In einer Studie vom Januar 2020 versuchten Reese et al. die Herkunft der Mikroben zu bestimmen, indem sie die Bakterien und Pilze in Sauerteig-Starterkulturen sequenzierten, die von 18 professionellen Bäckern nach einem standardisierten Rezept und mit standardisierten Zutaten hergestellt wurden. Die Mikroben in den Sauerteigansätzen wurden mit denen auf den Händen der Bäcker und in den Zutaten verglichen. Mikroben, die zuvor in Sauerteigansätzen dokumentiert worden waren, fanden sich auch in den Ansätzen der Bäcker: die häufigsten Ordnungen waren Saccharomycetales für Hefen und Lactobacillales für Bakterien. Die in den Starterkulturen gefundenen mikrobiellen Gemeinschaften waren insgesamt denjenigen im Mehl am ähnlichsten; daher kommen die meisten Bakterien und Hefen mit dem Mehl in den Sauerteig.

Einige der Mikroben stammten jedoch von den Händen der Bäcker. Die verschiedenen Bäcker hatten unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften in ihren Starterkulturen, obwohl alle Bäcker das gleiche Starterkultur-Rezept und die gleiche Mehlquelle verwendeten.

Verändern sich diese Gemeinschaften im Laufe der Zeit? Wenn Mehl und Wasser gemischt werden, wächst in den Starterkulturen des Sauerteigs eine anfängliche Mikrobenpopulation, die sich aber im Laufe der Zeit durch einen „mikrobielle Sukzession“ genannten Prozess verändert. Mit der Zeit dominieren bestimmte Arten von Milchsäurebakterien und Hefe die Population. Diese Gemeinschaften können entweder stabil bleiben oder sich aus verschiedenen Gründen verändern, z. B. durch das Einbringen von Mikroben aus zugesetztem Mehl oder aus der Umwelt sowie durch Schwankungen der Fermentationsdauer oder der Salzkonzentration.

Wir wissen immer noch nicht genau, wie sich das Sauerteigmikrobiom in Abhängigkeit von Parametern wie Mehlsorten, Wasser, dem geografischen Standort des Bäckers oder dem physischen Standort der Starterkultur verändert. Außerdem werden Starterkulturen ausgetauscht, verschenkt und über Generationen hinweg weitergegeben, so dass sie an ganz anderen Orten landen können, als sie ursprünglich waren.

Jüngere Sauerteigstarter enthalten in der Regel Lactobacillus plantarum oder brevis„. Ä ältere Sauerteigansätze neigen dazu, Lactobacillus sanfranciscensis zu enthalten, wobei festgestellt wurde, dass er nicht geografisch gebunden ist. Er ist sauerteiggebunden.

Sauerteig verwandelt für uns giftige oder unbekömmliche Bestandteile des Mehles in gesündere und leichter verdauliche Bestandteile. Kefir statt Wasser für den Ansatz zu verwenden, bringt diese gesunden Stoffe des Kefirs ins Brot. Trotz gewisser Einbußen durch die Backhitze entsteht so ein sehr gesundes Brot. Da wir den Teig vor dem Verzehr backen, nehmen wir die im Sauerteig enthaltenen Mikroorganismen meist nicht mehr lebendig zu uns. Warum dann der ganze Aufwand? Es hat sich gezeigt, dass selbst tote Mikroben immer noch eine positive Wirkung auf die Gesundheit erzielen können: Dieser Effekt heißt „probiotisches Paradox“ (Probiotic Paradox). Er zeigt, dass die sterblichen Überreste von Mikroorganismen in unserem Darm erkannt werden. Sie können so einen regulierenden Effekt auf das Immunsystem ausüben und Entzündungen entgegenwirken. Hinzu kommen noch alle enthaltenen Stoffe, die während der Fermentation entstanden sind und nicht durch Hitze zerstört werden. Zum Beispiel bilden manche Milchsäurebakterien-Stämme Beta Glukane, welche präbiotisch wirken und somit Futter für unsere guten Darmbakterien sind.

Sauerteig mit Kefir ansetzen
Ich verwende ausschließlich Dinkelmehl zum Backen, man kan aber auch jedes andere helle Mehl benutzen. Der Ansatz von Kefir-Sauerteig ist genauso einfach wie der klassische Ansatz mit Wasser:

  • 10g Dinkelvollkorn-Mehl
  • 40g Dinkelmehl Typ 630
  • 45g selbstgemachter Kefir

Der Ansatz wird nun alle 24 h Stunden gefüttert, indem immer wieder dieselbe Menge der Zutaten hinzugefügt wird. Es hat sich bewährt den Starteransatz entweder mit einem Schneebesen oder auf niedriger Stufe mit einem elektrischen Sahnebesen zu mischen. Auf diese Art wird viel Sauerstoff (Luft) unter den Teigansatz gemischt. Dadurch können sich die Bakterien und Hefen besser vermehren, was das anschließende Aufgehen sowohl des Brotes als auch des Sauerteiges selbst fördert.

Wenn der Kefir-Sauerteigansatz eine knappe Woche gefüttert wurde, kann man bereits damit beginnen Brot damit zu backen. Je älter der Sauerteig wird, umso mehr Aromen wird er bilden und umso individueller wird das damit gebackene Brot schmecken.

Sauerteig zeigt uns an einem einfachen Beispiel, wie die Natur das Naturkonzept des ewigen Lebens im Stoffkreislauf realisiert. Eigentlich sind sowohl ein Kefirpilz und auch ein Sauerteig unsterblich!

Lievito madre mit Joghurt „beruhigen“
Wenn mein LM einmal zu sauer wird oder zu sehr nach Essig riecht, benutze ich die Bade-Methode:
Die feste LM in etwa golfballgroße Stücke schneiden und in eine Schüssel mit leicht gezuckerten Wasser (2 g Zucker pro Liter Wasser) legen und etwa 15 – 30 Min darin ruhen lassen und dann entnehmen und leicht ausdrücken. Wenn man zu Beginn der Prozedur den pH-Wert des Wassers misst und dann nach dem Herausnehmen der LM, wir dman feststellen, dass das Wasser deutlich suerer geworden ist.
Die „entsäuierte“ LM mische ich dann mit Mehl und einigen Esslöffeln selbstgemachtem „milden“ Joghurt. Der Joghurt sollte nicht sauer sein. Die LM lasse ich dann an einem warmen Ort ruhen. Da sie Baterien aus dem Joghurt thermophil sind, gedeiht die LM in der Wärme hervorragend und das Ergebnis ist eine sehr gut riechende und nicht mehr sauere LM.
Siehe dazu auch den Film auf YouTube.


Joghurt aus Tautropfen (var yok)

In ihrem wunderbaren Buch „Balıkesir – City Of 50 Cheeses“ beschreiben Berrin Bal Onur und Neşe Aksoy Biber die Herkunft und Herstellung des Joghurt.

Zu Hıdrellez, dem Frühlingsfest, das am 6. Mai vor allem bei verschiedenen Turkvölkern gefeiert wird, wird Joghurt mit Tautropfen fermentiert. Diese Starterkultur wird auch für Sauerteigbrot verwendet. Diese Joghurt wird auch der „es gibt“ und „es gibt nicht“ Joghurt genannt.

Kurz vor Morgengrauen am Tag des Hıdrellez werden Tautropfen mit einem Löffel oder einem dünnen Teller vom grünen Gras aufgesammelt. Während die frisch gemolkene Milch noch Melktemperatur hat, wird sie mit den gesammelten Tautropfen vermischt und fermentiert. Die Starterkultur des Joghurts wird dann das ganze Jahr über als Starterkultur verwendet.

Der Grund, warum die Tautropfen die Milch in Joghurt verwandeln, ist in der Tat eine einfache chemische Veränderung. In der ersten Maiwoche, wenn die Pollen der Blumen verwehen, wenn sich der Boden zu erwärmen beginnt und die Luftfeuchtigkeit zunimmt, bilden sich am frühen Morgen Tautropfen auf dem Gras. Die wundersame Kombination aus Luft, Erde und Pollen in den Tropfen aktiviert die Bakterien in der Milch und lässt sie zu Joghurt werden.

Die alten Kulturen, die wussten, wie man der Natur, den Jahreszeiten, den Veränderungen und dem Zyklus folgt, gewinnen so in unserem Leben an Bedeutung als die zufälligen Erfinder vieler Lebensmittel, die wir heute essen. Das Fermentieren von Joghurt mit Tautropfen am Morgen des Hidırellez ist eine der Traditionen, die von den im südlichen Anatolien lebenden Yörük-Nomaden, insbesondere dem Karakeçili-Stamm, seit Hunderten von Jahren gepflegt wird.

Die Legende besagt, dass die erste Starterkultur für den Joghurt, den wir heute essen, ebenfalls ein Tautropfen war: Ein Hirte entdeckte, dass die Milch, die er nach einem Regentag im Frühjahr unter einem Baum vergessen hatte, fest geworden war. Diese traditionelle Art der Joghurtherstellung, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, bestätigt diese Erzählung.

Eine andere Methode Joghurt-Starterkultur herzustellen, wenn keine andere Starterkultur zur Verfügung steht, ist die Kichererbsen-Methode.

Joghurthefe aus Kichererbsen herstellen:

Zutaten:
• 15 getrocknete Kichererbsen (Bio)
• 1 Glas Milch

Die 15 getrockneten Kichererbsen (Bio) werden in ein Glas gegeben. Darauf wird Rohmilch gegossen, die zuvor bei 65° C pasteurisiert wurde und auf 38° – 40° C Grad abgekühlt wurde. Diese Temperatur muss nun für 24 Stunden im Ofen gehalten werden. Wenn keine Rohmilch zur Verfügung steht, kann auch gute Milch aus dem Geschäft verwendet werden. Aber auf keinen Fall H-Milch, damit kann man keinen Joghurt herstellen.

Nach 24 Stunden nehmen wir die Kichererbsenmilch, die nun fermentiert ist, aus dem Ofen und entfernen die 15 Kichererbsen, schließen das Glas und stellen es in den Kühlschrank.

Auf diese erste Starterkultur werden nun 2 Gläser Rohmilch, die ebenfalls bei 65° C pasteurisiert wurde und auf 38° – 40° C abgekühlt wurde, langsame untergerührt. Diese Mischung fermentiert nun in einer warmen Umgebung für 12 Stunden weiter.

Der erste Joghurt, der mit der ersten Starterkultur aus Kichererbsen hergestellt wird, kann etwas flüssig sein, er erreicht seine normale Konsistenz nach 3-5-maliger erneuter Fermentation

Hier ist der Prozess anschaulich beschrieben: Link

Kurt – getrockneter Joghurt

Kaschk persisch کشک, DMG kašk, kasachisch құрт) ist getrockneter salziger Joghurt! Da der Joghurt getrocknet länger haltbar und besser zu transportieren ist, war dieses Lebensmittel bei den Nomaden im arabischen Raum, aber auch bei den Völkern Zentralasiens und im Schwarzmeergebiet sehr beliebt.

Zur Herstellung wird Milch erhitzt und anschließend wieder so weit abgekühlt, dass Joghurtkulturen sich wohl fühlen. Dann wird die Masse mit Joghurtkulturen beimpft und warmgehalten. Der Salzgehalt unterscheidet sich dabei stark zwischen den einzelnen Regionen.

Nachdem der Joghurt fermentiert wurde, wird er gesalzen und in ein Baumwolltuch gefüllt. Dann wird er ausgewrungen und drei bis vier Tage zum Entwässern aufgehängt und regelmäßig geschüttelt. Nach drei bis vier Tagen wird Die zurückbleibende Joghurtmasse wird zu kleinen Kugeln geformt und diese dann auf einem Baumwolltuch getrocknet, bis sie hart werden.

Die Kaschk-Kugeln können nun mehrere Jahre gelagert werden. Zur Verarbeitung werden diese Kugeln wieder in Joghurt zurückverwandelt. Dazu werden sie über Nacht in Wasser eingeweicht. Am nächsten Tag legt man sie in eine Schale, zerreibt sie und vermengt sie löffelweise mit Wasser.

Diese uralte Kulturtechnik hat bis heute in vielen Gegenden überlebt und gehört zur einheimischen Küche wie das tägliche Brot.

Es gibt viele leckere Gerichte auf der Basis von Kaschk, die es zu probieren lohnt. Zumeist Suppen und Eintöpfe mit Linsen, Gerste und Minze.

Das originale Kaschk ist sehr sauer und etwas gewöhnungsbedürftig. Wenn man jedoch milde Joghurtkulturen verwendet, ist es auch für empfindliche Gaumen ein Genuss. Kaschk schmeckt sehr gut mit Auberginen bzw. Auberginenpaste und Minze.

In der Mischung mit Weizen entsteht in der syrischen und libanesischen Küche die Suppe Kishk. In der persischen Küche wird Kaschk zu verschiedenen Gemüsen gereicht, so zum Beispiel mit gekochten oder gegrillten Auberginen als Kashk-e Bademjan.

In Usbekistan wird Kurt aus Suzyma (fermentierter Milchkäse, gefilterte Quarkmilch) und Salz hergestellt. Die Konzentration von Salz in Kurt kann dabei variieren – von ein wenig salzig bis sehr kräftig. Basilikum (Raykhon), roter Pfeffer, Minze und andere Gewürze geben Kurt hier ein besonderes Aroma.